1885 – 1932

Herman Wirth wurde am 6.5.1885 in Utrecht (Niederlande) geboren als Sohn des aus der deutschen Rheinpfalz stammenden Gymnasiallehrers Ludwig Wirth und seiner holländischen Ehefrau Sophie Gijsberta, geborene Roeper Bosch, die leider schon früh verstarb. Der Vater hatte einige volkskundliche Schriften herausgebracht. 1904 bestand Herman in Utrecht das Abitur und wandte sich dem Studium der niederländischen Philologie, der Germanistik und der Geschichte zu, erst in Utrecht, dann mit weiteren Studien im Fach Musik in Leipzig, um 1908 wieder in Utrecht sein Staatsexamen abzulegen. Obwohl er danach an der Universität Berlin Lektor für niederländische Sprache und Literatur wurde, konnte er nach einem weiteren Jahr am 9.3.1911 mit seiner kulturgeschichtlichen Arbeit „Der Untergang des niederländischen Volksliedes“ an der Universität Basel beim dortigen Volkskundler John Meier zum „Dr.phil.“ promovieren. Neben musikwissenschaftlichen Themen befaßte sich Herman Wirth in den folgenden Jahren auch mit volkskundlichen Studien. Seine ersten Bestandsaufnahmen jener „Uleborden“, Giebelzeichen friesischer Bauernhäuser z.T. mit Jahrtausende alten Sinnbildern, entstanden dort.

Nach Kriegsbeginn 1914 trat er freiwillig in das deutsche Heer ein, wurde in Belgien von der deutschen Zivilverwaltung zur Betreuung der deutschfreundlichen Flamen eingesetzt. 1916 wurde er a.o. Professor am Konservatorium in Gent, fuhr aber nach Berlin, um dort am 8.8. Margarethe Schmitt, Tochter des akadem. Kunstmalers Prof. E. Vital Schmitt, zu heiraten. Am 12.12.1916 wurde Wirth in Berlin der Ehrentitel eines Titularprofessors verliehen. Nach dem Ende des ersten Weltkriegs gründete er – wieder in den Niederlanden – in Anlehnung an die deutsche Wandervogelbewegung – den „Landsbond Dietsche Trekvogels“. Er fuhr häufig mit Musikinstrumenten und einer „Laterna Magica“ zu Vorträgen mit historisch-musikalischer Umrahmung – bereits mit Auto – über Land. Bei einem Landestreffen der größer werdenden Niederländischen Sozialistischen Arbeiterbewegung übernahm Herman Wirth die musikalische Gestaltung.

Ab 1922 wurde er für einige Zeit Gymnasiallehrer in Sneek/Friesland und schaffte sich in diesen Jahren die Grundlagen für seine symbolhistorischen Arbeiten zur Vorgeschichte und Urreligionsgeschichte, die er alsbald weiter vertiefte. Durch seine öffentlichen Vorträge zu diesen Themen wurde er auch in Deutschland immer mehr bekannt. 1924 zog er mit seiner Familie in sein neues Haus nach Marburg/Lahn. 1928 erschien beim berühmten Verlag Eugen Diederichs in Jena sein erstes großes Werk „Der Aufgang der Menschheit“ (siehe Werkverzeichnis). Bereits 1931 folgte der erste Band seines zweiten großen Werkes „Die heilige Urschrift der Menschheit“ beim bekannten Verlag Koehler und Amelang in Leipzig– und bis 1933 elf der insgesamt zwölf Bände. 1935 erschien der letzte Band. Herman Wirth war inzwischen ein berühmter Mann und gefragter Referent, auch bei Freimaurern und bei Nationalsozialisten. 1925 war er NSDAP-Mitglied geworden, aber schon ein Jahr später wieder ausgetreten.

Wegen seiner neuen Erkenntnisse und Erkenntniswege wurde er für manche etablierten Wissenschaftler ein oftmals unliebsamer („umstrittener“) Forscher. Dennoch haben ihn Gönner 1932 nach Rostock in Mecklenburg gerufen zur Schaffung einer „Volkshochschul-Siedlung“ als Bildungsstätte, kurz darauf sogar der Ministerpräsident Granzow nach Bad Doberan zur Gründung und Leitung eines „Instituts für Geistesurgeschichte“. Er plante die Errichtung eines urreligiösen Freilichtmuseums, ein Jahr später schuf er dann eine große Ausstellung „Der Heilbringer“ in Berlin und in Bremen. Dazu kam die erneute Berufung zum a.o. Professor an die Universität Berlin, und alsbald folgte der Umzug nach Michendorf bei Potsdam. Die o.g. Ausstellung erweiterte er alsbald zu einer privaten urgeschichtlichen „Sammlung für Geistesurgeschichte und Volkstumskunde“. Doch fehlten ihm stets die nötigen Mittel zum Lebensunterhalt und für seine Forschungen. Eine beachtliche Spende des jüdischen „Ölmagnaten“ Ludwig Schindler reichte nicht lange. Auch eine 1928 in Berlin gegründete „Herman-Wirth-Gesellschaft“ konnte ihm schon bald nicht mehr finanziell weiterhelfen, so daß er sie wenige Jahre später wieder verließ.

1933 – 1938

Wie viele andere setzte er zu Beginn des „Dritten Reiches“ große Hoffnungen auf finanzielle Unterstützung. Aber nicht nur in der Fachwelt erhob sich immer schärfere Kritik an Herman Wirth nach seiner Veröffentlichung einer Übersetzung und Kommentierung der „Oera-Linda-Chronik“ (1933). Diese war schon im 19.Jahrhundert als „Fälschung“ bezeichnet worden. Ebenso rührten sich unter einflußreichen Nationalsozialisten auch viele Gegner der Thesen Wirths, und er erlebte nun durch diese eine heftige Ablehnung, allen voran durch Alfred Rosenberg und den „Leiter der Berufsvereinigung deutscher Vorgeschichtsforscher“ Bolko Frhr.v.Richthofen. Dieser warf Herman Wirth vor, ehemals Kontakte zu Juden und Freimaurern gehalten zu haben. Dennoch gründete Reichsminister Walter Darré 1935 – auf Vermittlung von Heinrich Himmler – den neuen Verein „Deutsches Ahnenerbe“ u.a. zusammen mit Herman Wirth und dessen privaten Sammlungen. Die Finanzierung durch den „Reichsnährstand“ Darrés ermöglichte dem neuen „Präsidenten“ Prof. Dr. Herman Wirth in den Jahren 1935 und 1936 zwei Expeditionen nach Skandinavien, um seine Theorien mit einer Felsbilderdokumentation über die dortigen Symbole zu beweisen.

Das Ahnenerbe Doch als der inzwischen an Einfluß gewachsene „Vorsitzende des Kuratoriums“ Himmler 1937 den Verein „Deutsches Ahnenerbe“ mit der wichtigen Sammlung von der SS einfach übernehmen ließ, mit einer neuen Satzung in „Das Ahnenerbe“ umbenannte, wurde Herman Wirth zwar „Ehrenpräsident“ aber einflußlos, seine a.o. Professur wurde aberkannt. Da half ihm nicht, daß er wieder Parteimitglied geworden war und man ihn zum SS-Hauptsturmführer gemacht hatte. „Linientreue“ Wissenschaftler, die ganz andere Ziele verfolgten, wurden ihm vor die Nase gesetzt, sogar ein Spitzel Karl Theodor Weigel zur Überwachung seiner Arbeit aus weltanschaulicher Sicht. Darauf schied Wirth schon 1938 (!) aus Gewissensgründen unter Protest aus Partei, SS und dem – heute so genannten – „Ahnenerbe der SS“ aus. (Darré hatte inzw. ebenfalls sein Ministeramt aufgegeben.) Herman Wirth wollte damit nichts mehr zu tun haben, opferte dadurch aber nicht nur seine ganze wertvolle Sammlung von Büchern, Bildern und anderen Zeugnissen der von ihm entdeckten vorgeschichtlichen Hochkultur des nordeuropäisch-atlantischen Raumes.

Er wurde sogar für die sieben Jahre bis Kriegsende bestraft mit Lehr-, Rede- und mit Veröffentlichungsverbot! Für einen Wissenschaftler vom Range eines Herman Wirth bedeutete dies das Ende seines Rufes in der Öffentlichkeit. Man beschuldigte ihn, an die Stelle eines germanischen (Krieger-) Männerbundes ein pazifistisches „Matriarchat“ als Vorbild stellen zu wollen. Wirth hat eigentlich nur darauf hingewiesen, daß die Germanen nach der Bronzezeit bereits deutlich von einem „Bruch“ mit der früheren Hochkultur gezeichnet waren. – Da man nach 1938 nichts mehr von Herman Wirth hörte oder las, hat mancher – so z.B. heute noch die „Antifa“ – irrtümlich angenommen, daß er auch noch weiterhin beim „Ahnenerbe der SS“ tätig wäre. Bis zum Kriegsende lebte er aber mit seiner Familie ganz zurückgezogen in seinem Haus in Marburg a.d. Lahn und widmete sich weiteren Studien, ohne an die Öffentlichkeit treten zu dürfen. Er stand in diesen Jahren quasi unter Hausarrest und durfte nicht einmal in seine holländische Heimat zurückkehren oder die ihm schließlich am 1.11.44 vermittelte Kustodenstelle an der Universität Göttingen wirklich antreten.

1945 – 1973

1945 denunzierte ihn dennoch ein Marburger Mitbürger bei der amerikanischen Besatzung als „Naziverbrecher“. Herman Wirth wurde bis 1947 eingesperrt, das Haus mitsamt seiner wieder neu begonnenen wissenschaftlichen Sammlung und Bibliothek beschlagnahmt. Erst Jahre später – rehabilitiert – erhielt er sie, dazu schwer beschädigt, zurück, um nun – eigentlich schon im Rentenalter – zum dritten Mal in seinem Leben von vorne anzufangen. Anfang 1948 geht Wirth zu seiner Schwester nach Dieren/Niederlande, im Herbst nach Schweden. Erst 1951 findet er eine Anstellung an der Universität Lund. 1954 kehrt er nach Marburg zurück und gründet die „Europäische Sammlung für Urgemeinschaftskunde“. 1957 wird die „Herman-Wirth-Gesellschaft“ unter neuem Namen wieder gegründet. Wirth arbeitet und reist rastlos (u.a. zu einer Expedition nach Bohuslän/Schweden), lebt unter äußerst bescheidenen persönlichen Verhältnissen, stets um den Wiederaufbau einer Ausstellung seiner erneuten Sammlung von Zeugnissen der urgeschichtlichen Hochkultur bemüht, um seine wissenschaftlichen Thesen öffentlich beweisen zu können. Es erscheinen kleinere Arbeiten von ihm, so „Die symbolhistorische Methode“ (1955) sowie „Um den Ursinn des Menschseins“ (1960), „Die Frage der Frauenberge“ (1972) usw.(siehe Werkverzeichnis), während weit umfangreichere Manuskripte noch heute auf Verleger warten: „Die eurasiatischen Prolegomena der indoeuropäischen Urreligion“ oder „Des großen Gottes heilige Runen“ und weitere.

1974 – 1981

Mit Unterstützung von Mitgliedern und Förderern gelingt es 1974 in Fromhausen bei den Externsteinen in einem leerstehenden Bauernhaus noch einmal eine Ausstellung („Ur-Europa-Museum“) zu eröffnen, die aber nach zwei Jahren wegen Fehlens jeder öffentlichen Unterstützung aus finanziellen Gründen wieder zusammengepackt werden muß. Da bietet sich plötzlich und unverhofft durch die Vermittlung und persönliche Unterstützung des SPD-Vorsitzenden und vormaligen Bundeskanzlers Willy Brand im Kreis Kusel / Pfalz eine neue Möglichkeit für eine Ausstellung in der wieder aufzubauenden Burg Lichtenberg. Kurz vor dem Umzug verliert Wirth am 16.6.1978 seine Frau Margarethe, geb. Schmitt, die treue Lebens- und Arbeitsgefährtin, der er einige seiner Schriften widmete. Sie schenkte vier Kindern das Leben (von denen aber nur noch Tochter Ilge – geb. 1929 – in Schweden lebt).

Noch einmal stürzt sich Herman Wirth von Thallichtenberg aus in unermüdliche Arbeit. Er untersucht verschiedene Kulthöhlen der Pfälzer Umgebung (er filmt u.a. Felsritzungen in der „Schlangenhöhle“) und folgt den Entdeckungen des Ing. Ludwig Schmidt aus Kaiserslautern. Er veranstaltet eine „Ostermaien-Ausstellung“ in seinem „Institut“ in Thallichtenberg und hält stundenlange Vorträge u.a. im überfüllten Auditorium-maximum der Universität Augsburg vor begeisterten Studenten. – Doch wieder folgen böse Intrigen und Verleumdungen in der Öffentlichkeit, die schließlich zu seinem Tod am 16.2.1981 führen. Da übernimmt im Auftrag der Tochter Ilge die „Gesellschaft für europäische Urgemeinschaftskunde e.V.“ die Einlagerung von Teilen seiner hinterlassenen Sammlung, des umfangreichen Fotoarchivs und der Bücherei sowie der unveröffentlichten Manuskripte und damit die Verantwortung und Betreuung für diesen Teil des Nachlasses.

Posthumus 1982 gelingt noch einmal eine bescheidene Ausstellung im Schloß Magenheim/Württemberg. 1985 wird endlich dieser Nachlaß mit den meisten Exponaten in die Obhut des bekannten Volkskundlers Prof. Dr. Ernst Burgstaller aus Linz/Donau nach Spital am Pyhrn überführt in das „Österreichische Felsbildermuseum“, wo nun Wirths skandinavische Felsbilderabgüsse aus Bohuslän/Schweden in zwei großen Sälen ausgestellt werden können. Selbst hier erfolgt aber 1998 auf Grund einer anonymen Anzeige eine – ergebnislose – Hausdurchsuchung und erneut eine öffentliche Diffamierung, die selbst vor dem, inzwischen verstorbenen, Prof. Burgstaller nicht haltmacht. Das Museum sieht sich ängstlich veranlaßt, die Hälfte der wissenschaftlichen Bücherei Wirths bis 2004 unter Verschluß zu nehmen und sich von dem Rest und dem übrigen Nachlaß Herman Wirths (Exponatensammlung usw.) ganz zu trennen …

Quellen:
Eduard Baumann „Herman Wirth -Schriften, Vorträge, Manuskripte und Sekundärliteratur“, Toppenstedt (1995)
Herman Wirth „Um den Ursinn des Menschseins“, Volkstum-Verlag Wien (1960)
Michael Kater „Das Ahnenerbe der SS“, Stuttgart (1974)
Eugen Pletsch „Gespräch mit HW.“ in „Humus“, Löhrbach (1979)
Ingo Wiwjorra „Herman Wirth, Leben und Werk“, Magisterarbeit, Berlin (1988)
Private Aufzeichnungen sowie Mitteilungen der HW-Tochter an den Verfasser.