Herman Wirth fand in seinen Forschungen nach den Uranfängen von Sprache und Schrift überraschende Ergebnisse. Schon im Vorwort zum ersten Band seiner „Heiligen Urschrift der Menschheit“ (Leipzig 1931) schrieb Herman Wirth: „ … die Geschichtslehre der Schriftsysteme war bislang die formale Wissenschaft von einem nutzzwecklichen Werkzeug, einem Mechanismus zur Übermittlung menschlicher Gedanken … Es fehlte dieser Schriftgeschichte aber jede tiefere entwicklungsgeschichtliche Erkenntnis und Begründung in Hinblick auf die zeitlich und räumlich ungleich größere Vorstufe der geschichtlichen Schriftsysteme.

Ursymbolgeschichte

Der hier nun erstmalig unternommene Versuch einer systematischen und methodischen Erschließung dieser urgeschichtlichen Vorstufe bringt als Ergebnis, daß diese Urschriftgeschichte eine Ursymbolgeschichte ist, eine Lehre und Kunde geistig-sinnbildlicher Zeichen und vergeistigter Sinnbilder … einer Urgeistesgeschichte der Menschheit… Denn es zeigt sich weiter, daß diese Ursinnbilder, diese Urzeichen, als kalendarische Symbolik die Beurkundung einer Weltanschauung, einer Weltallkunde, einer Kosmologie als älteste Geisteswissenschaft darstellen…, die ‚heilige Schrift‘ einer Urreligion.“ (21)

Es folgten in 12 Bänden (einschließlich ‚Bilderatlas‘) unzählbare Beispiele aus vielen Teilen der Erde – vor allem auch aus Nordamerika – als Beweise für die Kalender- oder Jahreszeiten-Zeichen = weltweit vergleichbare Symbole, als Vorstufen zu den verschiedenen ersten Schriften der Menschheit. Diese Ursymbole waren aber nicht nur Ausdruck damaliger naturwissenschaftlicher Erkenntnisse, sondern auch des – geistigen – Vermögens, diese Erkenntnisse sprachlich und sogar (symbol-) schriftlich Anderen zu vermitteln. Eine ungeheure kulturelle Leistung der arktisch-atlantischen Menschheit – zur (voreiszeitlichen) Altsteinzeit!

Das Wort ward Schrift

Der Spracharchäologe Gert Meier faßt in seinem Buch Und das Wort ward Schrift (Bern 1991) die Ergebnisse Wirths zusammen: „Seine Erkenntnisse lassen den Schluß zu, daß … auch eine Archäologie der Sinnzeichen möglich ist, mit deren Hilfe sich Herkunft und Entwicklung von menschlichen Vorstellungen entschlüsseln und zumindest erhellen lassen. Die Geschichte der Ideogramme … beginnt mit den altsteinzeitlichen Petroglyphen. (Felsritzungen, d. Verf.)

Ihr frühestes Erscheinen, ihre Verbreitung und Vertiefung, ihre Wechselformen und ihre Veränderungen sind ein getreues Abbild der Entwicklung und Wandlung der menschlichen Vorstellung … Diese erkannt und beschrieben zu haben ist das verbleibende Verdienst von Herman Wirth.“ (22) Auch Gert Meier betont die enge Verbindung zwischen diesen Symbolen und den Ursprüngen einer Religion der frühen arktisch-atlantischen Menschheit, die sich anschließend über weite Teile der Erde verbreitet hat, verändert wurde, und deren Vorstellungen in den heutigen Weltreligionen noch zum Teil nachweisbar sind.

Quelle:
21) HW „Die heilige Urschrift der Menschheit“ (HU) Koehler und Amelang, Leipzig, (1931) S.1
22) Gert Meier „Und das Wort ward Schrift“ Paul Haupt, Bern (1991), Schlußkapitel