2001 Donauwörth

Bericht über die Jahrestagung in Donauwörth

vom 28. September bis 1. Oktober 2001

Nachdem die Jahrestagung 2000 in Mecklenburg stattgefunden hatte, sind wir in diesem Jahr wieder einmal in Bayern zusammengekommen, und zwar in einer Umgebung, die für uns sehr interessante Ziele für Exkursionen bietet.

Der Vorsitzende der Gesellschaft, Herr Paul Rohkst, begrüßte die Zuhörer und leitete die Tagung mit der Verlesung eines Berichtes von einer prähistorischen Fundstätte in der Provence nordöstlich Marseille ein. Dort wurden vom französischen Centre National de Recherche Scientific (CNRS) eine Reihe kleiner Steinhäuser aus der Zeit um 7000-6000 v.d.Ztr. ergraben. Diese jungsteinzeitliche Kultur wurde nach einer Meeresmuschel „Cardial“-Kultur benannt. Die Menschen dort verfügten offensichtlich bereits über Boote, mit deren „Hilfe sie die Mittelmeerinseln Korsika, Sardinien, Malta, Kreta und Zypern besiedelten. Sie hinterließen dort ihre Megalithbauten. Noch sensationeller jedoch sind Funde in Viols-le Fort nördlich von Narbonne. Neben den schon bekannten megalithischen Steinhäusern kamen auch Reste kultivierten Getreides und von Schafsknochen zutage. Sie wurden auf 10000 v.d. Ztr. und damit vor die „Neolithische Revolution“ datiert. Wenn diese Datierung öffentlich bestätigt wird, kann die These vom „Ex oriente lux“ nicht mehr aufrecht erhalten werden.

Der nächste Vortrag machte die Zuhörer bekannt mit der vorgeschichtlichen Deutung der Himmelsdrehung als einer riesigen Mühle. Auch die Autoren von Dechend und de Santillana befassen sich in ihrem Buch „Die Mühle des Hamlet“ mit diesem Denkmodell vom (scheinbar) sich drehenden Himmelsgewölbe. Die Mühle wird von 2 Riesinnen oder vom Sternendrachen, dem Dreher, in Gang gehalten. Für diese Vorstellung war die Feuer-Erzeugung mit Hilfe eines drillenden Holzstabes das Vorbild. Es ist dies die Mühle, die „uns alle Morgen das Silber, das rote Gold“ mahlt, wie es in einem alten Volkslied heißt.

Der 2. Tag brachte Dia-Vortrag und Film von einer Expedition mit einem selbst gebauten Schilfboot ABORA auf dem Mittelmeer. Die Arbeits-gemeinschaft Experimentelle Archäologie, die überwiegend aus Schülern besteht, hatte sich zum Ziel gesetzt zu beweisen, daß man auch mit vorgeschichtlichen Mitteln schon gegen den Wind kreuzen konnte. Es gelang der Crew auch, einen 90°-Kurs zum Wind zu erreichen.

Auf ihrer ersten Fahrt von Sardinien über Korsika nach Elba konnte die Mannschaft Erfahrungen sammeln, Fehlerquellen feststellen und Verbesserungen planen. Mit der in Bau befindlichen ABORA II soll eine längere Route von Alicante in Ostspanien an Gibraltar vorbei bis zu den Kanaren bewältigt werden.

Darauf wurden die Zuhörer wieder in den bayerischen Raum zurückversetzt. In langjähriger Feldforschung wurde dort ein Altwege-Netz entdeckt. Dias zeigten die alten Fernwege, die sich den geografischen und topografischen Gegebenheiten anpassen, Siedlungen umgehen, Auf- und Abstiege immer in direkter Linie bewältigen. Sie dürften also in einer Zeit entstanden sein, als man noch nicht mit Wagen fuhr. Viele Spuren nebeneinander, alte Hohlwege, aber auch Straßendämme zeugen noch heute im Gelände von alten Trassen. In den Wäldern sind die Spuren besser erhalten als im Kulturland, das bewiesen eindrucksvolle Aufnahmen. Erst nach Gründung der Städte und Märkte im Hochmittelalter wurden die Höhenrouten meist verlassen, und der Verkehr verlegte sich aus praktischen Gründen in die Täler.

Es folgte die Lesung eines Aufsatzes über das Thema „Vineta“. Die beiden Autoren vermuten, daß schon in vorgeschichtlicher Zeit eine Umgestaltung der Odermündung durch den Menschen erfolgt sei, und zwar sei der Hauptarm des Flusses beim Fischland in den Barther Bodden eingemündet. Östlich der neu gestalteten Hauptmündung, also bei den heutigen Orten Barth, Fuhlendorf und Bodstedt müsse Vineta oder „Jumne“ (nach Adam von Bremen) im Bereich des heutigen Barther Boddens gelegen haben. Sie wird auch als „civitas“ und nicht als „urbs“ bezeichnet. Daher schließen die Verfasser, daß Vineta nicht nur eine Stadt, sondern eine Provinz gewesen sei.In den Bekehrungskriegen des Polenherzogs Boleslaw III und der Dänen muß diese Provinz im 12. Jhdt. gänzlich verwüstet, die Bewohner getötet oder vertrieben worden sein. Auf die weiteren angekündigten Forschungsergebnisse dürfen wir gespannt sein.

Der folgende Vortrag befaßte sich ebenfalls mit einem mittelalterlichen Thema, nämlich mit dem Gedicht „Völuspa“ – „der Seherin Vorausschau“ – aus der Edda-Sammlung von Island. Er zeigte seinen Zuhörern an einzelnen Beispielen auf, wie schwierig sich eine Übertragung von Dichtung, in diesem Fall von altnordischer, in eine andere Sprache gestaltet, wenn auch nur ein Anklang an die Poetik des Originals erhalten bleiben soll. In der sich anschließenden Diskussion wurde nach Anzeichen dafür gesucht, daß der unbekannte Autor oder der Aufzeichner der Verse, Snorri, die Ankunft eines größeren und mächtigeren Gottes nach dem Untergang der Asen und Wanen, dem „Göttergeschick“, dem Ragnarok, ankündigt.

Am späten Abend erfuhren diejenigen, die noch nicht ermüdet waren, daß sowohl das Kegelspiel als auch das traditionelle Kartenspiel sehr alte Wurzeln haben. Bei der üblichen Aufstellung der Kegel z.B. handelt es sich um die alte 8-Teilung des Kreises mit einer Betonung der Mitte, dargestellt durch den „König“. Besonders in Bayern werden alte Traditionen, die mit den Kartenspielen verknüpft sind, noch bewahrt und oft vom Großvater an den Enkel überliefert.

Die Exkursion führte am Sonntagmorgen zunächst nach Nördlingen. Im Rieskrater-Museum bekamen die Teilnehmer durch Film und Bild einen Eindruck von dem kosmischen Geschehen, das zwischen Fränkischer und Schwäbischer Alb das fast kreisrunde Becken des Nördlinger Ries` schuf. Erst seit 1960 ist der Nachweis eines Meteor-Einschlages unumstritten, seit nämlich dieAmerikaner Prof. Shoemaker und Dr. Chao in dem ausgeworfenen Gestein, dem Suevit, Mineralien nachwiesen, die nur aus Impakten und nicht aus Vulkanen entstehen. Die Wucht des Einschlags wird mit 250000 Atombomben des Hiroschima-Typs verglichen.

Nach einer Stärkung im Café Dietz in Bopfingen ging es weiter zum Ipf, dem „König des Ries“. Von Westen gesehen zeigt er sich als regelmäßiger Kegelstumpf mit steilen Flanken. Er trägt umfangreiche vorgeschichtliche Befestigungsanlagen aus mehreren Epochen. Das Plateau von etwa 180 m Durchmesser ist umgeben von einem Wall, der einmal eine Pfosten-Schlitz-Mauer gewesen ist. Ein breiter Graben und zweiter Ringwall liegen etwa 15 m tiefer. Bis heute kamen nur wenige Funde aus der Latènezeit zum Vorschein, jedoch wird ein Oppidum auf dem Berg vermutet, vergleichbar mit dem auf dem Staffelberg.
Der breite „Prozessionsweg“ auf den Berg hinauf erinnerte die Wanderer stark an den Weg auf den Frauenberg über Eichstätt.

Die nächste Station der Exkursion waren die beiden Ofnethöhlen, im Höhenzug „Himmel-reich“ zwischen Nördlingen und Neresheim gelegen. In der großen Ofnet-Höhle, 17 m tief und bis15 m breit, wurden 1908 die berühmten Schädelnester ergraben. In zwei Gruben fand man 27 bzw. 6 Schädel, die alle mit dem Gesicht zum Höhleneingang gewandt waren. Diese Schädel waren reichlich mit ockerfarbener Erde bestreut. Sie wurden von der Mehrzahl der Fachleute ins Mesolithikum datiert. Die Funde stehen mit zwei anderen Schädel-bestattungsplätzen im mitteleuropäischen Raum einzig da. Oberhalb der Höhlen liegen alte Wallanlagen, am Fuße des „Himmelreichs“ konnten wir noch die konservierten Reste eines römischen Gutshofes besichtigen.

Weiter ging die Exkursion zur malerischen Harburg. Sie liegt oberhalb des Ortes Harburg an der Wörnitz. Wir ließen uns von einer Burgführerin den Festsaal, den Fürstenbau und die Schloßkirche sowie die Wehranlagen zeigen und erklären. Die Burg gelangte 1251 in den Besitz des Oettinger Grafengeschlechtes. Eine Seitenlinie dieses Adelsgeschlechtes ist auch heute noch im Besitz der Harburg und pflegt sie stilbewußt. Nach der Besichtigung beschlossen die Teilnehmer mit einem gemütlichen Abend den Sonntag in der Burgschenke der Harburg.

Am letzten Vormittag bekamen die Zuhörer einen Abriß der Vorgeschichte im bayerischen Raum. Von den ersten Begehungen über die Höhlenstationen besonders im Altmühltal, das Auftreten des Homo sapiens sapiens in Mittel- und Süddeutschland, die ersten Bauern-kulturen, die große Kultanlage von Künzing, die Bronzezeit, die Urnenfelderzeit, wurde der Bogen gespannt bis zur keltischen Besiedlung Bayerns. Geschichte hat hier eben nicht erst mit den Römern begonnen, wie auf der diesjährigen Tagung deutlich wurde.

Den Abschluß der Vortragsfolge bildete ein Dia-Vortrag über die Ausgrabungen in Bernstorf im Landkreis Freising am Rande des Ampertales. Hierbei handelt es sich um eine befestigte Höhensiedlung aus der mittleren Bronzezeit. In diesem Falle hat sich die Aufmerksamkeit von Freizeit-Archäologen wieder einmal bewährt. Ihnen ist es zu verdanken, daß durch eine Rettungsgrabung größere Teile des Bergsporns noch vor der Kiesgewinnung wissenschaftlich ausgegraben werden konnten. Eine bronzezeitliche Ansiedlung mit weitreichenden Handelsbeziehungen und mit beträchtlichem Luxus wurde festgestellt.

Unter anderem kamen zwei Bernsteinfunde zutage, eine kleine Kopfskulptur und ein Petschaft, das an einer goldenen Kette getragen wurde. Beide tragen schriftartige Zeichen, die an die Linear B-Schrift erinnern. Ausgedehnte Holzkohle- und Schlackenfunde deuten darauf hin, daß die ganze Ansiedlung in einer Feuersbrunst zugrunde gegangen sein muß, die sehr hohe Temperaturen erzeugte. Auf weitere Ergebnisse der Forschung können wir gespannt sein.

Sunnihilt Wellmer, Schriftführerin

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